Nach Bewältigung der Grundsteuererklärungen und der Prüfung der Grundsteuerwert- und -messbetragsbescheide versenden die Gemeinden im letzten Schritt der Grundsteuerreform den Grundsteuerbescheid, mit dem die tatsächlich zu entrichtende Grundsteuer festgesetzt wird. Auch dieser Bescheid bedarf einer sorgfältigen Überprüfung hinsichtlich seiner inhaltlichen Richtigkeit und möglicherweise strittiger Rechtsfragen. In diesem Blog-Beitrag zeigen wir Ihnen beispielhaft, welche Widerspruchsmöglichkeiten gegen den Grundsteuerbescheid bestehen und wann ein Widerspruch gegen den Grundsteuerbescheid sinnvoll sein kann.
Begrifflichkeiten: Einspruch oder Widerspruch
Im allgemeinen Sprachgebrauch wird selten zwischen Einspruch und Widerspruch unterschieden. Im Steuerrecht gibt es hierbei aber wesentliche Unterschiede:
- Ein Einspruch wird gegenüber der Finanzverwaltung gegen Grundsteuerwert-, Grundsteueräquivalenzbetrags-, Grundsteuermessbetrags- und Zerlegungsbescheide erhoben.
- Ein Widerspruch wird gegenüber der Gemeinde gegen den Grundsteuerbescheid, also die Zahlungsaufforderung, eingelegt.
- In den Stadtstaaten Berlin, Bremen und Hamburg wird der Grundsteuerbescheid nicht von der Gemeinde, sondern der Finanzverwaltung versandt, sodass in diesen Fällen nicht von einem Widerspruch, sondern ebenfalls von einem Einspruch gesprochen wird. GrundsteuerDigital hat für Sie bei den Finanzministerien Hamburg, Berlin und Bremen nachgefragt: In diesen Bundesländern ist der Einspruch gegen den Grundsteuerbescheid mittels ELSTER “sonstige Nachricht” möglich – auch innerhalb unserer Anwendung.
Falsche Übernahme des Grundsteuermessbetrags
Eine Fehlerquelle ist die inkorrekte Übernahme des Grundsteuermessbetrags. Prüfen Sie sorgfältig, ob der im Grundsteuerbescheid angegebene Messbetrag mit dem im Grundsteuermessbescheid festgesetzten Betrag übereinstimmt. Bei Abweichungen ist ein Widerspruch gerechtfertigt.
Anwendung eines falschen Hebesatzes
Die Anwendung des richtigen Hebesatzes ist entscheidend für die Berechnung der zu zahlenden Grundsteuer. Überprüfen Sie, ob der richtige Hebesatz der jeweiligen Grundsteuerart angewandt wurde. Die Hebesätze unterscheiden sich wie folgt:
- Hebesatz für Grundsteuer A: Betriebe der Land- und Forstwirtschaft
- Hebesatz für Grundsteuer B: Grundvermögen
→ Hierbei ist zu beachten, dass es in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Sachsen-Anhalt einen gesonderten Hebesatz für Wohn- und Nichtwohngrundstücke geben kann.
- Hebesatz für Grundsteuer C: unbebaute, baureife Grundstücke
→ Im Rahmen der Prüfung des Hebesatzes für die Grundsteuer C dürften sich insbesondere Abgrenzungsfragen ergeben, wann ein unbebautes Grundstück auch tatsächlich ein baureifes Grundstück i. S. d. § 25 Abs. 5 GrStG ist.
Falsches Rechenergebnis
Ein simpler, aber folgenschwerer Fehler kann bei der Multiplikation des Grundsteuermessbetrags mit dem Hebesatz auftreten. Verifizieren Sie stets das Rechenergebnis. Ein Widerspruch ist möglich, wenn die Berechnung nicht korrekt durchgeführt wurde.
Verfassungsrechtliche Fragen zur Grundsteuer C
Bei der Grundsteuer C handelt es sich um alten Wein in neuen Schläuchen: Vorbild ist die sog. Baulandsteuer, die 1961 eingeführt und nach lediglich zwei Jahren Gültigkeit mit Ablauf des 31.12.1962 ersatzlos aufgehoben wurde. Sie verfolgte damals wie heute einen ähnlichen Lenkungsweck, nämlich einen finanziellen Anreiz für eine sinnvolle Nutzung durch Bebauung zu schaffen und gleichzeitig Spekulationen zu verteuern und damit zu verringern. Mehr dazu erfahren Sie in unserem Blog-Beitrag “Die alte Idee einer neuen Grundsteuer C“.
Da damals das erwartete Ansteigen des Grundstücksangebots ausblieb und insgesamt der Lenkungszweck nicht erreicht wurde, bewertet das Schrifttum die Wiedereinführung der Grundsteuer C eher kritisch.[1]
Verfassungsrechtliche Probleme sieht Meyer bei der Grundsteuer C in Konstruktionsfehlern, einer Abkehr vom Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit und einer Torpedierung des Rechtsschutzinteresses der betroffenen Bürger durch Allgemeinverfügung (§ 25 Abs. 5 S. 7 GrStG).[2]
Die Feststellung, ob es sich um ein unbebautes Grundstück handelt, wird zu mindestens im Bundesmodell bereits vom Finanzamt getroffen – ob allerdings ein unbebautes und zugleich baureifes Grundstück i. S. d. § 25 Abs. 5 GrStG vorliegt, stellt die Kommune mit Erlass des Grundsteuerbescheides fest. Insofern ist zu prüfen, ob ein Widerspruch vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlichen Fragen zur Grundsteuer C gegen einen Grundsteuerbescheid mit unbebauten, baureifen Grundstücken sinnvoll erscheint.
Verfassungsrechtliche Fragen zur Aufsplitterung des Hebesatzes
Um eine drohende Belastungsverschiebung von Nichtwohn- zu Wohngrundstücken zu vermeiden, haben Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Sachsen-Anhalt ihren Kommunen die Möglichkeit eingeräumt, differenzierte Hebesätze für Wohn- und Nichtwohngrundstücke festzulegen.
Ein vom Ministerium der Finanzen NRW beauftragtes Gutachten und ein weiteres vom Parlamentarischen Beratungs- und Gutachterdienst beauftragtes Gutachten sehen die Anwendung differenzierter Hebesätze für Wohn- und Nichtwohngrundstücke weniger kritisch.
Demgegenüber zeige ein vom Städtetag Nordrhein-Westfalen beauftragtes Gutachten “erhebliche rechtliche Risiken für die Städte” auf. Thomas Eiskirch, Vorsitzender des Städtetages NRW und Oberbürgermeister der Stadt Bochum sagte weiter: “Für Kommunen ergeben sich mit differenzierten Hebesätzen für eine Grundsteuerermäßigung für Wohngrundstücke große Rechtsunsicherheiten. Damit drohen den Städten bei einer der wichtigsten kommunalen Steuern im schlimmsten Fall massive Steuerausfälle, wenn sie dem Landesmodell folgen.”[3] Auch das Finanzministerium Mecklenburg-Vorpommern argumentierte, dass eine Änderung der Regeln wie in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen neue verfassungsrechtliche Risiken für die Kommunen mit sich bringen würde.[4]
Insofern ist unter Umständen zu prüfen, ob ein Widerspruch gegen einen Grundsteuerbescheid mit aufgesplittertem Hebesatz vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlichen Fragen sinnvoll ist.
Kosten des Widerspruchverfahrens
Das Widerspruchverfahren gegenüber der Kommune hat im Gegensatz zum Einspruchsverfahren gegenüber der Finanzverwaltung eine Besonderheit hinsichtlich der Kosten: Das Einspruchsverfahren ist grundsätzlich kostenfrei. Demgegenüber weist der Verein Haus und Grund darauf hin, dass der Widerspruch kostenpflichtig sei, wenn er keinen Erfolg hat. Wird ein Fehler von der Kommune korrigiert, sei der Widerspruch kostenfrei.[5]
Frist & Zuständigkeit für Widersprüche
Die Widerspruchsfrist gegen den Grundsteuerbescheid der Kommune beträgt einen Monat nach Bekanntgabe des Bescheids. Ob die Kommune selbst oder das örtliche Verwaltungsgericht zuständig ist, ist nicht bundeseinheitlich geregelt – dies ist der Rechtsbehelfsbelehrung des jeweiligen Bescheids zu entnehmen.
Fehler hinsichtlich der Bewertung der wirtschaftlichen Einheit
Fehler, die bei der Bewertung der wirtschaftlichen Einheit entstanden sind, wie beispielsweise eine falsche Wohn- oder Grundstücksfläche, können nicht mit einem Widerspruch gegen den Grundsteuerbescheid angegriffen werden, sondern müssen mit einem Einspruch gegen den Grundsteuerwert- oder -äquivalenzbetragsbescheid des Finanzamts gerichtet werden. Allerdings dürften diese Bescheide im Regelfall schon Bestandskraft erlangt haben. In diesem Fall können solche Fehler mittels fehlerbeseitigender Fortschreibung i. S. d. § 222 Abs. 3 BewG korrigiert werden. Dabei ist die 15.000,-€ Grenze des § 222 Abs. 1 BewG zu beachten.
Fazit
Die möglichen Fehlerquellen in Grundsteuerbescheiden zeigen, das auch im letzten Schritt der Grundsteuerreform eine sorgfältige Prüfung notwendig ist. Aktuelle Entwicklungen zur Grundsteuer können Sie unserem Grundsteuer-Liveticker entnehmen.
Wir haben für Sie grafisch zusammengefasst, wie Sie bei der Grundsteuerbescheidprüfung am besten vorgehen sollten und welche Handlungen bei Bedarf nötig sind. Mit GrundsteuerDigital können Sie sowohl Bescheidprüfungen als auch Widersprüche schnell und unkompliziert durchführen.
Quellen:
[1] Vogelpoth DStR 2020, 126; Mannek/Sklarek in Stenger/Loose, GrStG, Stand Jan. 2024, § 25 Rn. 48 ff.; Feldner/Schätzlein DStR 2021, 512; Ockenfels/Meyer/Bosch ZKF 2023, 221.
[2] Meyer, in: DStR 2024, 978: Grundsteuer C – Ist eine Sondersteuer auf baureife Grundstücke verfassungswidrig?
[3] https://www.staedtetag-nrw.de/presse/pressemeldungen/2024/grundsteuer-landesmodell-ist-hochriskant
[4] https://www.zeit.de/news/2024-07/04/mv-will-nicht-an-neuen-grundsteuer-regeln-ruetteln
[5] https://www.hausundgrund.de/verein/pforzheim/sites/default/files/downloads/faq-grundsteuer0.pdf
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