Wenn die Bestandskraft eines Steuerbescheids eingetreten ist, können nachträgliche Änderungen im Regelfall nur noch schwer durchgesetzt werden. Im Bereich der Grundsteuer gibt es mit der fehlerbeseitigenden Fortschreibung ein besonderes Mittel, um Fehler außerhalb der Vorschriften der Abgabenordnung zu beseitigen. In diesem Blogbeitrag erfahren Sie mehr zu den Voraussetzungen und der Vorgehensweise.
Wann kommt eine fehlerbeseitigende Fortschreibung in Betracht?
Eine fehlerbeseitigende Fortschreibung kommt im Regelfall dann in Frage, wenn im bereits ergangenen Grundsteuerwertbescheid – oder je nach Grundsteuermodell im Äquivalenzbetragsbescheid – ein Fehler enthalten ist, der durch eingetretene Bestandskraft nicht mehr mittels Einspruchs oder Antrag auf schlichte Änderung korrigiert werden kann.
Unberührt davon bleiben die Korrekturmöglichkeiten nach den üblichen Vorschriften der AO, sofern die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind.
Fehlerarten
Ein im Feststellungsverfahren über den Grundsteuerwert entstandener Fehler i. S. d. § 222 Abs. 3 S. 1 BewG ist nach AEBewGrStG A 222 Abs. 5 S. 2 jede objektive Unrichtigkeit. Dabei kann es sich beispielweise um
- Fehler in Bezug auf Wert, Art und Zurechnung,
- Fehler bei der Auslegung und Anwendung des Gesetzes, oder
- fehlerhafte Grundsteuerwertermittlung durch z.B. falsche Grundstücks-/Gebäudegröße
handeln. Voraussetzung ist allerdings nicht, dass ein klarliegender, einwandfrei feststellbarer Fehler vorliegt, vgl. BFH-Urteil vom 29.11.1989, II R 53/87, BStBl II 1990, 149.
Fehler, die im Grundsteuermessbetragsverfahren entstanden sind, können nicht über § 222 Abs. 3 BewG, sondern über § 17 Abs. 2 Nr. 2 GrStG korrigiert werden. Diese Vorschrift ist nach AEBewGrStG A 17 Abs. 3 S. 2 in den Fällen anzuwenden, in denen der Grundsteuerwert zwar zutreffend festgestellt ist und unverändert bleibt, der Grundsteuermessbetrag aber fehlerhaft ist, d.h. beispielsweise bei
- Übernahme eines unzutreffenden Grundsteuerwerts,
- Anwendung einer falschen Steuermesszahl oder
- fehlerhafter Gewährung von Ermäßigungen der Steuermesszahl
Im Grundsteuermessbetragsverfahren ist nach AEBewGrStG A 17 Abs. 3 S. 4 unerheblich, wodurch der Fehler verursacht wurde, ob der Fehler unmittelbar aus dem Steuermessbescheid ersichtlich ist und ob sich der Fehler zugunsten oder zuungunsten des Steuerschuldners auswirkt.
Kann ein fehlerhafter Grundsteuerwert nicht fehlerbeseitigend fortgeschrieben werden, weil die Wertgrenze des § 222 Abs. 1 BewG nicht erreicht wurde, so kommt nach AEBewGrStG A 17 Abs. 3 S. 5 keine fehlerbeseitigende Neuveranlagung des Grundsteuermessbetrags in Betracht.
Fortschreibungszeitpunkt
Der Fortschreibungszeitpunkt einer fehlerbeseitigenden Wert-, Art- oder Zurechnungsfortschreibung ist nach § 222 Abs. 4 S. 3 Nr. 2 Alt. 1 BewG grundsätzlich der Beginn des Kalenderjahres, in dem der Fehler dem Finanzamt bekannt wird.
Abweichend davon findet nach § 222 Abs. 4 S. 3 Nr. 2 Alt. 2 BewG eine Grundsteuerwert erhöhende fehlerbeseitigende Wertfortschreibung frühestens zum Beginn des Kalenderjahres statt, in dem der berichtigende Feststellungsbescheid erteilt wird.
Praxisrelevant ist dies nur, wenn Kenntniserlangung und Bescheidbekanntgabe nicht im gleichen Kalenderjahr stattfinden. Dies gilt nach AEBewGrStG A 222 Abs. 6 S. 4 f. allerdings nicht für Artfortschreibungen, selbst wenn sie mittelbar zur Grundsteuerwerterhöhung führen. Diese Regelung kann dazu führen, dass bei einer kombinierten Art- und Wertfortschreibung die einzelne Artfortschreibung und Wertfortschreibung auf unterschiedliche Zeitpunkte erfolgen kann; vgl. BFH-Urteil vom 19.02.1992, II R 35/89, BFH/NV 1993, 353; AEBewGrSt A 222 Abs. 6 S. 5.
Mindestveränderung des Grundsteuerwerts
Damit eine fehlerbeseitigende Wertfortschreibung durchgeführt werden kann, muss nach AEBewGrStG A 222 Abs. 5 S. 4 die Wertgrenze des § 222 Abs. 1 BewG überschritten werden. Hiernach muss der neu festgestellte und auf volle 100 € abgerundete Grundsteuerwert nach oben oder unten um mehr als 15.000 € vom zuletzt festgestellten Grundsteuerwert abweichen.
Hierbei kann eine Besonderheit zu beachten und zu prüfen sein: Sofern der abgerundete neue Wert 0 € beträgt, so ist nach AEBewGrStG A 222 Abs. 1 S. 3 der Grundsteuerwert nur dann auf 0 € festzustellen, wenn die Wertgrenze des § 222 Abs. 1 BewG überschritten wurde.
Vorgehen
GrundsteuerDigital hat für Sie nachgefragt, wie in den unterschiedlichen Grundsteuer-Modellen eine fehlerbeseitigende Fortschreibung deklariert werden soll, da über ELSTER kein gesonderter Feststellungsgrund für eine Fehlerbeseitigung vorgesehen ist.
Nach Rücksprache mit den zuständigen Finanzministerien sei es einerseits möglich eine vollständig ausgefüllte Grundsteuererklärung einzureichen, in der als Grund der Feststellung
- im Bundesmodell “Art- oder Wertfortschreibung”
- in Bayern, Niedersachsen, Hamburg und Baden-Württemberg “Fortschreibung(en) (Anzeige von Änderungen)”
- in Hessen “Neuveranlagung / Fortschreibung(en) (Anzeige von Änderungen)”
angegeben wird und gleichzeitig der Antrag auf fehlerbeseitigende Fortschreibung im Feld “Ergänzende Angaben” erwähnt und erläutert wird. Es sei darauf zu achten, den zutreffenden Feststellungszeitpunkt auszuwählen.
Andererseits seien fehlerbeseitigende Fortschreibungen in allen Bundesländern auch mittels “ELSTER sonstige Nachricht” oder einer Grundsteuer-Änderungsanzeige möglich.
Praxistipp
Die Abgabe einer vollständigen Grundsteuererklärung innerhalb von GrundsteuerDigital hat den Vorteil, dass die Eintragungen sich direkt auf die Steuerberechnung auswirken und Sie sofort für Ihre Mandanten ermitteln können, welche Veränderungen der Steuerbelastung sich durch eine fehlerbeseitigende Fortschreibung ergeben. Darüber hinaus halten Sie die Grundstücksdaten auf diese Weise stets aktuell für eventuelle Folgeerklärungen - spätestens für die nächste Hauptfeststellung wird dies relevant sein. Diese Vorteile würden Ihnen entgehen, wenn Sie die fehlerbeseitigende Fortschreibung über “ELSTER sonstige Nachricht” oder eine Grundsteuer-Änderungsanzeige beantragen würden.
Disclaimer
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