Bei der reformierten Grundsteuer droht eine Belastungsverschiebung: Nach den ersten Erkenntnissen in den Bundesmodell-Bundesländern könnten Nichtwohngrundstücke zukünftig entlastet und Wohngrundstücke stärker mit Grundsteuer belastet werden. Was die einzelnen Bundesländer dagegen im Detail unternehmen wollen, erfahren Sie in diesem Blog-Beitrag.
Vorreiter: Saarland und Sachsen
Das Problem, dass Wohngrundstücke im Bundesmodell zukünftig stärker als Nichtwohngrundstücke belastet werden, haben Saarland und Sachsen bereits im Vorfeld erkannt: Die Bundesländer haben von der Öffnungsklausel Gebrauch gemacht und durch das Saarländische Grundsteuergesetz (GrStG-Saar) bzw. Sächsische Grundsteuermesszahlengesetz (SächsGrStMG) das Bundesmodell „übernommen“ und als Erste abgewandelte Steuermesszahlen angewandt.
Nachzügler: Berlin und Bremen
Berlin hatte bereits am 21.02.24 bekannt gegeben, dass sich ohne ein Gegensteuern die Grundsteuer vervielfachen würde und neben einer Hebesatzsenkung von 810% auf 470% eine Anpassung der Steuermesszahlen zu Gunsten von Wohngrundstücken angekündigt.[1] Daneben wurde preisgegeben, wie sich das Messbetragsvolumen auf die Grundstücksarten in Berlin verteilt: „Nach bisherigem Recht betrugen die Anteile von Wohn-, Nichtwohngrundstücken und unbebauten Grundstücken 57 Prozent, 42 Prozent und 1 Prozent am gesamten Messbetragsvolumen (Grundvermögen). Nach dem aktuellen Auswertungsstand würden sich Anteile von 65 Prozent (Wohngrundstücke), 30 Prozent (Nichtwohngrundstücke) und 4 Prozent (unbebaute Grundstücke) ergeben.“[2] Infolgedessen hat das Abgeordnetenhaus in zweiter Lesung für das Berliner Grundsteuermesszahlengesetz (BlnGrStMG) gestimmt, sodass die Reform der Grundsteuer mit den auf Berlin angepassten Messzahlen zum 01.01.2025 umgesetzt werden kann.[3] Außerdem hätten die Berliner Finanzämter bisher keine Messbetragsbescheide erlassen, sodass die Messzahlenänderungen auch verfahrensrechtlich und technisch umsetzbar seien.
Für das Bundesland Berlin wurde die Anpassung der Grundsteuermesszahlen in der Berechnung von GrundsteuerDigital bereits vorgenommen, sodass eine Bescheidprüfung der Grundsteuermessbetragsbescheide bereits möglich ist.
In Bremen hat eine Analyse des Finanzressorts ergeben: „Würde Bremen die Bundesmesszahlen anwenden, käme es aufgrund der unterschiedlich starken Wertsteigerung bei Wohngrundstücken und Nichtwohngrundstücken zu einer erheblichen Belastungsverschiebung. Die Bodenrichtwerte, die für die Ermittlung der Grundsteuerwerte berücksichtigt werden, sind in Wohngebieten deutlich höher als etwa in Gewerbegebieten. Folge: Eigentümerinnen und Eigentümer von Häusern und Wohnungen müssten ebenso wie Mieterinnen und Mieter gut 20 Prozent höhere Lasten schultern, während Nichtwohngrundstücke entlastet würden. […] Wohngrundstücke sollen wie bisher 53 Prozent des Gesamtaufkommens beisteuern, Nichtwohngrundstücke und unbebaute Flächen 47 Prozent.“[4] Infolgedessen hat Bremen am 18.06.24 bekannt gegeben, die Grundsteuermesszahlen anpassen zu wollen.[5]
Übersicht Grundsteuermesszahlen
Bundesmodell | Saarland | Sachsen | Berlin | Bremen | |
---|---|---|---|---|---|
Gesetzliche Grundlage | § 15 GrStG | § 1 GrStG-Saar | Sächs-GrStMG | BlnGrStMG | geplant |
Unbebaute Grundstücke | 0,34 ‰ | 0,64 ‰ | 0,36 ‰ | 0,45 ‰ | 0,75 ‰ |
Einfamilienhäuser, Zweifamilienhäuser, Mietwohngrundstücke, Wohnungseigentum | 0,31 ‰ | 0,34 ‰ | 0,36 ‰ | 0,31 ‰ | 0,31 ‰ |
Teileigentum, Geschäftsgrundstücke, gemischt genutzte Grundstücke, sonstige bebaute Grundstücke | 0,34 ‰ | 0,64 ‰ | 0,72 ‰ | 0,45 ‰ | 0,75 ‰ |
Alternative: Aufsplitterung des Hebesatzes
Als alternative Möglichkeit, um die Belastungsverschiebung zu verhindern, hat der NRW-Finanzminister Marcus Optendrenk bereits im März 2024 vorgeschlagen, es den Kommunen freizustellen, den Hebesatz der Grundsteuer B für Wohn- und Nichtwohngrundstücke aufzusplitten. „Es ist gut, dass sich die Politik der Problematik jetzt annimmt. Die von Finanzminister Optendrenk vorgeschlagene Einführung gesplitteter Hebesätze bürdet den Kommunen die Verantwortung auf, ermöglicht aber auch zielgenaue, der jeweiligen örtlichen Situation gerecht werdende Lösungen.“ kommentierte Rik Steinheuer, Vorsitzender des Bundes der Steuerzahler NRW, diesen Vorschlag.[6] Den entsprechenden Gesetzesentwurf zur Aufsplitterung des Hebesatzes der Grundsteuer B kommentierte Marcus Optendrenk wie folgt: „Es ist jetzt wichtig, dass die Kommunen die Flexibilität bekommen, die sie brauchen, um die Belastungsverteilung an die jeweiligen räumlich-strukturellen Verhältnisse vor Ort anzupassen. Eine kommunal- und bürgerfreundliche Lösung der Mammutaufgabe Grundsteuerreform war und ist das Ziel dieser Landesregierung. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf stärken CDU und Grüne die kommunale Selbstverwaltung und gewähren den Städten und Gemeinden ein höchstmögliches Maß an Flexibilität.“[7]
Neben NRW strebt auch Rheinland-Pfalz eine ähnliche Öffnungsklausel an.[8] Schleswig-Holstein plant hingegen, den Gesetzentwurf aus NRW inhaltlich unverändert zu übernehmen.[9] Demgegenüber habe sich das Finanzministerium Mecklenburg-Vorpommern aus Sorge vor verfassungsrechtliche Risiken für die Kommunen gegen eine Differenzierung der Hebesätze entschieden. Im Gegenzug wolle sich Mecklenburg-Vorpommern einer bundesweit abgestimmten Regelung für Extremfälle anschließen und damit die Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom Mai 2024 beachten.[10]
Quellen:
[1] https://www.berlin.de/sen/finanzen/presse/pressemitteilungen/pressemitteilung.1419266.php
[2] https://www.parlament-berlin.de/adosservice/19/IIIPlen/vorgang/d19-1589.pdf
[3] https://www.berlin.de/sen/finanzen/presse/pressemitteilungen/pressemitteilung.1458346.php
[4] https://www.senatspressestelle.bremen.de/pressemitteilungen/grundsteuer-reform-senat-begrenzt-belastung-449447?asl=bremen02.c.732.de
[5] https://www.senatspressestelle.bremen.de/pressemitteilungen/grundsteuer-reform-senat-begrenzt-belastung-449447?asl=bremen02.c.732.de
[6] https://www.steuerzahler.de/aktuelles/detail/grundsteuer-lastenverschiebung-angehen-unwucht-beheben/?L=0&cHash=a7eb5430c6291de7ea4e557e55ae1973
[7] https://www.finanzverwaltung.nrw.de/gesetzentwurf-differenzierte-hebesaetze
[8] https://www.juve-steuermarkt.de/branche/oeffnungsklausel-erntet-kritik/
[9] https://www.schleswig-holstein.de/DE/landesregierung/ministerien-behoerden/VI/_startseite/Artikel2024/240604_grundsteuerreform_hebesaetze.html
[10] https://www.stern.de/gesellschaft/regional/mecklenburg-vorpommern/grundsteuer–mv-will-nicht-an-neuen-grundsteuer-regeln-ruetteln-34854606.html
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